Wie Üben im Kopf die Leistung verbessert

Psychologen der UMIT TIROL erforschen mentales Training

Mentales Training ist im Sport und in der Musik bereits weit verbreitet. Auch in der motorischen Rehabilitation wird es seit Kurzem angewendet. Über die zugrunde liegenden Prozesse solcher Kopfübungen ist bisher aber noch wenig bekannt. Ein Psychologenteam der Tiroler Privatuniversität UMIT TIROL arbeitet daran, diese Wissenslücke zu füllen. In einem Grundlagenprojekt gehen die Forschenden der Frage nach, wie bestimmte kognitive Strategien zur Optimierung von Bewegungen beitragen können.

Die Kameras sind auf die Athletinnen und Athleten bei deren Vorbereitung für den Slalom gerichtet. Das Fernsehpublikum kann zusehen, wie sie gedanklich jede Kurve nachvollziehen und ihren Körper entsprechend mitbewegen. Ziel ist es, die Trainingsleistung auch in der Wettkampfsituation abzurufen. Der Spitzensport hat die positive Wirkung von mentalem Training auf das Leistungsvermögen früh für sich erkannt. Auch in der Musik wird es eingesetzt, etwa beim Klavierspielen, um schwierige Stellen eines Stücks im Kopf zu üben. Die Wissenschaft zieht nun nach: Martina Rieger und Stephan Dahm von der Privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT) gehen dem Phänomen in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt aktuell auf den Grund.

Fähigkeit der Vorstellungskraft

„Ich finde, dass Fantasie und Vorstellungsfähigkeit sehr spannende Fähigkeiten des Menschen sind. Wir können uns Dinge vorstellen, die es zum Zeitpunkt der Vorstellung gar nicht gibt, die in der Vergangenheit liegen oder sich auf die Zukunft beziehen“, sagt Martina Rieger, Leiterin des Instituts für Psychologie an der UMIT. „Die Dinge sind zwar nicht real, aber können einen Einfluss auf das Reale haben. Das ist das Prickelnde an diesem Forschungsfeld“, ergänzt Projektpartner und Postdoktorand Stephan Dahm, der Wissen aus der angewandten Sportpsychologie mitbringt.

Um das weite Feld des mentalen Trainings zu spezifizieren, präferieren die beiden die Bezeichnung „Handlungsvorstellungstraining“. Damit ist das systematische und wiederholte Vorstellen eines Bewegungsablaufes, ohne diesen wirklich auszuführen, gemeint. Rieger: „Bei Vorstellung und Ausführung werden ähnliche Hirnareale aktiviert. Simuliert man eine Handlung mental, kommt es zu Vorhersagemechanismen im Gehirn, die so auch bei realen Handlungen stattfinden.“ Diese Ähnlichkeit erklärt die Wirkung von Handlungsvorstellungen. Martina Rieger und Stephan Dahm wollen eine einfache Äquivalenzannahme aber nicht hinnehmen, sondern betrachten das Zusammenspiel spezifischer. Riegers Vermutung: „Vielleicht gibt es unterschiedliche Lernmechanismen oder man lernt unterschiedliche Dinge.“ Darüber hinaus bestehen gewisse Limitationen: So ist es schwierig, mental Skifahren zu lernen, wenn man vorher noch nie auf Skiern gestanden ist. „Expertise ist wichtig: Führt man eine Bewegung einmal körperlich aus, so verbessert sich das interne motorische Modell“, erklärt Rieger.

Transfer auf ähnliche Situation testen

In der laufenden Studie geht es darum, welche konkreten Aspekte einer Aufgabe beim Handlungsvorstellungstraining gelernt werden. Dahm: „Wir möchten mehr über die zugrunde liegenden Mechanismen herausfinden.“ Eine Möglichkeit besteht darin, zu testen, ob das Lernen mit einer Hand auch einen positiven Effekt auf die Leistung der anderen Hand hat. Dies nennt man intermanuellen Transfer. „Menschen machen manchmal implizit Handlungsvorstellungstrainings. Zum Beispiel, wenn wir Autofahren lernen und abends das Zusammenspiel von Kupplung und Schaltung im Kopf durchspielen. Damit stärken wir die kognitive Repräsentation dieser Abfolge. Ein intermanueller Transfer tritt dann auf, wenn man normalerweise die Gangschaltung mit der rechten Hand bedient, jedoch in einem britischen Auto die Gangschaltung mit links bedienen muss“, erklärt Projektleiterin Rieger.

Forschungsfragen in drei Blöcken

Die großen Forschungsfragen des Projekts teilen sich in drei Blöcke auf: 1. Tritt nach einem Handlungsvorstellungstraining mehr intermanueller Transfer auf als nach physischem Training? Hängt dies davon ab, wann und wie lange eine Fertigkeit geübt wurde? 2. Funktioniert intermanueller Transfer von der dominanten zur nichtdominanten Hand besser als umgekehrt? Inwiefern hängt dies von der Art der trainierten Aufgabe ab? 3. Hat es einen Einfluss auf intermanuellen Transfer, ob man beim Handlungsvorstellungstraining primär auf visuelle oder auf kinästhetische Informationen achtet?

Verschiedene Methoden für Experimente

In den Experimenten trainieren Personen verschiedene Aufgaben, die entweder mit der dominanten oder nichtdominanten Hand ausgeführt werden. Eine Gruppe übt die Aufgaben physisch, eine andere in der Vorstellung (plus Kontrollgruppe). Dahm: „Wir wenden beispielsweise Sequenzlernen an: Teilnehmende müssen auf bestimmte Tasten drücken, wenn ein Stimulus präsentiert wird. Ohne es zu wissen, lernen sie dadurch eine zugrunde liegende Abfolge von Tasten. Sie können diese Sequenz danach tatsächlich besser ausführen als andere Sequenzen, ohne zu wissen, warum.

In einem anderen Experiment wollen wir herausfinden, wie Handlungsvorstellungstraining bei motorischen Aufgaben funktioniert. Wir geben dazu vor, wie oft Teilnehmende zwei kleine Bälle in einer Hand kreisen sollen.“ Erhoben werden Reaktionszeiten, Bewegungszeiten und Fehleranzahl. In einigen Experimenten erhalten die Personen zusätzlich Instruktionen, während der Vorstellung gezielt auf visuelle Aspekte oder kinästhetische Empfindungen (wie sich die Bewegung anfühlt) zu achten. Zwei Wochen nach dem Trainingsstart und wiederum einen Monat später werden die Teilnehmenden erneut getestet, um die Stabilität der Effekte zu erfassen.

Flexibilität gefordert

Drei Experimente wurden bereits durchgeführt, drei weitere sollen folgen. „Wir wollten ursprünglich auch Muskelaktivitäten messen, doch Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir mussten Experimente kurzfristig umstrukturieren. Versuchspersonen können Programme jetzt zuhause installieren und teilnehmen. Das funktioniert erstaunlich gut.“ Erste Ergebnisse seien vielversprechend. „Unsere Studien zeigen einmal mehr, dass physisches Training einen größeren Effekt hat als Handlungsvorstellungstraining. Wenn wir uns aber ansehen, wie gut eine Bewegung, die man mit der einen Hand geübt hat, auch in der anderen Hand funktioniert, dann ist das Handlungsvorstellungstraining genauso gut wie das physische Training.“ Der Endbericht wird im Winter veröffentlicht.

Relevanz für zukünftige Praxis

Die Ergebnisse sollen eine empirische Basis für die praktische Anwendung liefern und Empfehlungen für die Gestaltung von Trainings (Dauer, Art der Übung usw.) bieten. Wo soll es in Zukunft hingehen? „Hin zu neuropsychologischer Rehabilitation und zum Einsatz bei älteren Personen“, antwortet Rieger. Denn Handlungsvorstellungstraining habe viele Vorteile: Auch wenn eine Patientin ermüdet ist oder wenn ein Körperteil gerade nicht einsetzbar ist (zum Beispiel bei Verletzung), kann sie eine Bewegung dennoch trainieren. Das Training funktioniert ortsunabhängig und es lässt sich eigenständig durchführen. Somit könnte das Üben im Kopf, etwa als Ergänzung zur Physiotherapie, einen zusätzlichen Benefit zu therapeutischen Maßnahmen bringen.

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