UMIT TIROL [campus] 26 PFLEGEWISSENSCHAFT & GESUNDHEITSMANAGEMENT Allein die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Anfang 2023 zählte Innsbruck 132.519 Einwohner*innen, 24.988 davon, also knapp 19 Prozent, entfielen auf die Altersgruppe der über 65-Jährigen. Bis 2033, so die Prognose, wird die Bevölkerung der Tiroler Landeshauptstadt um 2,44 Prozent zunehmen, die Altersgruppe der über 65-Jährigen allerdings um 20 Prozent. Was bedeutet dies für den Pflege- und Betreuungsbedarf? Darauf gibt die Pflegestrategie 2033 für die Landeshauptstadt Innsbruck, erstellt von Forscher*innen der Privatuniversität UMIT TIROL rund um Gerhard Müller und Harald Stummer, eine Antwort (als Näherungswert wurde die Pflegegeldeinstufung herangezogen). 2023 bezogen 6.666 Einwohner*innen – davon rund zwei Drittel Frauen – Pflegegeld unterschiedlicher Pflegegeldstufen, der Bezieher*innenkreis wird bis zum Jahr 2033 je nach Szenario um 2,4 oder um 21 (!) Prozent steigen. Wie erklärt sich dieser Unterschied? Das optimistische Szenario geht davon aus, dass der Pflegebedarf zukünftig erst in höherem Alter auftritt als heute, das pessimistische, dass der Pflegebedarf innerhalb der Altersgruppen bis 2033 unverändert bleibt, dass also eine 75-jährige Person in zehn Jahren den gleichen Pflegebedarf hat wie eine 75-jährige Person heute. Das Team der UMIT TIROL beleuchtete aber auch den zukünftigen Bedarf an Pflegepersonal. „Im Vergleich zu 2024 benötigen wir je nach Szenario zwischen 170 und 250 zusätzliche Personen“, sagt Harald Stummer, Leiter des Instituts für Management und Ökonomie im Gesundheitswesen. Im Vergleich zum heutigen Personalstand in der (teil-)stationären und mobilen Pflege ein Plus von rund 20 Prozent. „Wir wissen schon seit Dekaden, dass ein großer demografischer und sozialer Wandel auf uns zukommt“, erklärt Gerhard Müller, Leiter des Instituts für Pflegewissenschaft: „Dieser Wandel macht auch vor Innsbrucks Toren nicht halt.“ Angesichts dessen schrieb die Stadt Innsbruck im Frühjahr 2023 die Erstellung einer Pflegestrategie aus. „Unser Konzept hatte das Spezifikum, dass wir aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln, jenem der Pflegewissenschaft und jenem von Management und Ökonomie im Gesundheitswesen, auf die gleiche Fragestellung schauen“, berichtet Stummer. Ziel war – unter Berücksichtigung allgemeiner und lokaler Herausforderungen – ein umfassendes Bild der aktuellen Pflege- und Betreuungssituation in Innsbruck zu erstellen. Das gemeinsame Konzept überzeugte die Verantwortlichen der Stadt Innsbruck, im Juni 2023 erfolgte der Start. „Die Datenerhebung hat länger gedauert als gedacht“, blickt Stummer zurück. Nach einer Analyse des Ist-Zustands wurden Modellrechnungen erstellt, wissenschaftliche Literatur gesichtet und Empfehlungen verfasst, bis zur Fertigstellung und öffentlichen Präsentation im Frühjahr wurde dabei, betonen Müller und Stummer, immer wieder Feedback eingeholt: „Die Stadt kann Richtlinien und Erfordernisse vorgeben, sie kann Anreize schaffen. Für die Umsetzung muss man aber die relevanten Player mit an Bord haben.“ Und Player gibt es viele in Innsbruck. „Es sind – ohne die tirol kliniken – 255 Institutionen, die sich mit Langzeitpflege und -betreuung befassen“, zeigen sich die zwei Wissenschaftler noch heute überrascht und räumen ein, dass eine Orientierung in dieser Vielfalt selbst für Expert*innen nicht einfach sei. „In Tiroler Dörfern gibt es gelbe Wegweiser, welche die Richtung zum Gemeindeamt, zur Kirche, zur Schule und sonstigen relevanten Örtlichkeiten anzeigen. Ähnliche Orientierungshilfen würde ich mir für den Pflege- und Betreuungsbereich in Innsbruck wünschen“, sagt Müller und verweist auf eine Empfehlung der Pflegestrategie 2033, deren Umsetzung in Innsbruck auch geplant ist – der sukzessive personelle Ausbau der Pflegekoordination. Eine kurzfristige Empfehlung, ähnlich vieler anderer pflege-, sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Empfehlungen der Pflegestrategie 2033. „Natürlich kann Eine Blaue Zone in Tirol Ein Team der UMIT TIROL rund um Gerhard Müller und Harald Stummer erstellte für die Stadt Innsbruck die Pflegestrategie 2033. Diese soll die Basis für eine zielgerichtete und zukunftsorientierte Pflegeversorgung schaffen. Fotos: Andreas Friedle Die demografische Entwicklung, die sich wandelnden Bedürfnisse der älteren Bevölkerung und die Herausforderungen im Pflegeberuf erfordern eine fundierte Analyse, um die richtigen Maßnahmen für eine zukunftsfähige Pflegeversorgung zu setzen. Mit der Pflegestrategie 2033 hat die Stadt Innsbruck gemeinsam mit ihren Systempartner*innen und der UMIT TIROL diese fundierte Datenbasis erarbeitet. Aus ihr lassen sich gezielte Handlungsempfehlungen ableiten, die sowohl kurzfristige Entlastungen als auch langfristige strukturelle Veränderungen ermöglichen. Unser Ziel ist es, Pflege nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Chance zu begreifen, um eine soziale, generationengerechte und zukunftsorientierte Stadtgestaltung aktiv voranzutreiben. Johannes Anzengruber, Bürgermeister Innsbruck Georg Willi, Vize-Bürgermeister Innsbruck Michael Urschitz, Pflegekoordinator Innsbruck „
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