21 UMIT TIROL [campus] PSYCHOLOGIE Seit wann Musik eine Rolle in ihrem Leben spielt, daran kann sich Antonia Eberharter nicht erinnern. Wahrscheinlich schon immer, meint die Tirolerin, die als Jugendliche auch ein Musikstudium in Erwägung zog. Ihr erstes Experiment mit Musik, sagt sie, war in der Oberstufe des Gymnasiums, eigentlich war‘s ein Selbstversuch. „Ich habe ein Monat lang verschiedene Musikgenres gehört und mich dabei selbst beobachtet, wie ich mich verhalte, wie ich mich fühle, welche Kleidung ich anziehe“, erzählt sie. Rückblickend, so Eberharter, habe sie damals am eigenen Leib erfahren, „was ich heute in Studien lese und im Labor untersuche.“ Denn Musik spielt auch im Forscherinnenleben der Psychologin eine zentrale Rolle – in ihrem mit einer Tiroler Nachwuchswissenschaftler*innenförderung (TNF) unterstützten Dissertationsvorhaben untersucht Eberharter den Einfluss von musikinduzierter Stimmung auf soziale Interaktion und Wahrnehmung. Über die Anfänge von Musik ist nicht viel bekannt, sie dürfte die Menschheit aber schon seit Urzeiten begleiten. Dementsprechend gut erforscht ist das Phänomen Musik und seine mannigfachen Funktionen – allein die Psychologie untersuchte Musik schon aus unterschiedlichen Blickwinkeln, etwa aus der Sicht der Evolutions- oder Emotionspsychologie. Eberharter wählt einen sozialpsychologischen Blick: Hat Musik Einfluss auf die negativen Folgen von Sozialer Exklusion? Beeinflusst sie dadurch entstehende Gefühle wie Einsamkeit, Traurigkeit oder Aggression? Und wenn ja, wie? Dass es einen Zusammenhang gibt, deutete sich während der COVID-19-Pandemie an. „Studien zeigen, dass Musik als eine der wichtigsten Copingstrategien verwendet wurde, um mit negativen Stimmungen und Einsamkeit besser umzugehen und die Lebenszufriedenheit zu steigern“, weiß Eberharter, „Musik wurde quasi als virtuelle Person wahrgenommen, die tröstet und somit einsamkeitslindernd sein kann.“ In mehreren Experimenten will Eberharter nun untersuchen, ob fröhliche, traurige oder auch romantische Musik die Konsequenzen von Sozialer Exklusion verändern kann. Und lässt ihre Experimentteilnehmer*innen – unter anderem – Cyberball spielen. „Cyberball ist ein in die virtuelle Realität übertragenes Ballspiel, bei dem die Versuchsperson von ihren vermeintlichen, in Wirklichkeit computergenerierten Mitspieler*innen Bälle zugeworfen bekommt oder nicht, sie also ins Spiel inkludiert oder exkludiert wird“, beschreibt Eberharter das Versuchsszenario. Während des Spiels und danach, beim Ausfüllen eines Fragebogens zu Selbstwertgefühl, Einsamkeit, positiven und negativen Emotionen etc. hören die Proband*innen Musik – ausgewählte Musik, je nach Testreihe unterschiedlich lang, traurig oder fröhlich, klassische Musikstücke oder Popsongs. „Die Musik wird auch vorgetestet. Sie wird mehreren Personen vorgespielt, diese werden befragt, wie sie ihnen gefällt, welche Emotionen sie hervorruft – die Lieder mit den eindeutigsten Werten z. B. für fröhlich werden dann in das Experiment aufgenommen“, erläutert Eberharter. So wird als traurige Musik Beethovens Mondscheinsonate oder Mad World von Gary Jules gespielt, fröhlich hingehen ist die Ouvertüre von Gioachino Rossinis Wilhelm Tell oder Uptown Funk von Bruno Mars ft. Mark Ronson. Die Experimente – im Schnitt dauern sie 30 bis 60 Minuten – finden entweder mit einer Person im Labor oder online statt. Ersteres ist ein streng kontrolliertes Setting, so herrscht etwa ein „Ablenkungsverbot“ durch Smartphone oder Ähnlichem. „Bei den Online-Teilnehmer*innen können wir das nicht mit Sicherheit sagen, es könnte z. B. sein, dass sie durch andere Menschen im Raum beeinflusst werden, was den Effekt des Exklusionsszenarios deutlich verringern kann“, sagt Eberharter, die auch noch weitere Szenarien für ihr Forschungsprojekt heranzieht. So hat sie ein amerikanisches Online-Tool zur Sozialen Exklusion übersetzt und auf Österreich übertragen. „Im Prinzip geht es darum, dass man sich auf einer Online-Plattform als neues Teammitglied kurz selbst charakerisiert, die Selbstbeschreibungen der anderen – virtuellen – Teammitglieder liest und diese liked. Selbst erhält man auch Likes“, erklärt Eberharter das Setting, das ebenfalls unter musikalischer Begleitung stattfindet. Mit fünf Likes ist man in die Gruppe inkludiert, mit nur einem exkludiert. Das dritte Experiment basiert auf einem textbasierten Szenario – in kurzen Texten wird den Experimentteilnehmer*innen ihr Arbeitsumfeld bei einem neuen Job beschrieben – einmal mit, einmal ohne sozialen Anschluss. Auch in diesen beiden Szenarien wird untersucht, ob Musik die Konsequenzen von Sozialer Exklusion beeinflusst. Für vier Jahre wird Eberharters Projekt über die TNF unterstützt, am Ende könnte, sehr weit gedacht, das erhobene Wissen in psychologische Arbeit einfließen. Als lediglich „good to know“ hingegen bezeichnet die Nachwuchsforscherin den Teil ihres Forschungsvorhabens, der sich mit dem Einfluss von musikinduzierter Stimmung auf die soziale Wahrnehmung befasst. Finden wir Menschen attraktiver, wenn wir während des Betrachtens (oder davor) Musik hören? Macht es dabei einen Unterschied, ob die Musik fröhlich, traurig oder romantisch ist? Verhält es sich bei Frauen gleich wie bei Männern? Studien zeigen, dass während der COVID19-Pandemie Musik als eine der wichtigsten Copingstrategien verwendet wurde, um mit negativen Stimmungen und Einsamkeit besser umzugehen und die Lebenszufriedenheit zu steigern. Musik wurde quasi als virtuelle Person wahrgenommen, die tröstet und somit einsamkeitslindernd sein kann. Antonia Eberharter „
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